Nach wie vor werden Dienststellenteile oder sogar ganze Unternehmen der öffentlichen Hand in privatrechtlich organisierte Unternehmen überführt, beispielsweise mit der Gründung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) oder sogenannter gemeinnütziger GmbHs. Was hier zu beachten ist und welche Besonderheiten für die Gleichstellungsbeauftragten oder Frauenbeauftragte in diesen Unternehmen gelten, habe ich Ihnen hier zusammengestellt.
Immer wieder werde ich in meiner anwaltlichen Tätigkeit zur Beratung hinzugezogen, wenn ein Dienststellenteil oder gar die ganze Dienststelle des öffentlichen Dienstes umstrukturiert und in einer privatrechtlichen Gesellschaftsform fortgeführt wird. Gutes Beispiel ist hier die Privatisierungswelle, die die früher öffentlich-rechtlichen Krankenhäuser traf, die heute häufig als sogenannte gemeinnützige GmbHs weitergeführt werden.
Bei einer Privatisierung ist immer die Frage, ob das jeweilige Gleichstellungsgesetz weitergilt oder aber zur Gleichstellung z. B. eine Betriebsvereinbarung geschlossen werden muss. Ob das Gleichstellungsgesetz in der privatisierten Einrichtung weiterhin direkte oder auch eine analoge Anwendung findet, ergibt sich aus dem Gesetz selbst.
Sieht das jeweilige Gleichstellungsgesetz eine solche Anwendung im privatisierten Unternehmen nicht vor, so sind die Tarifparteien gefragt, im überleitenden Tarifvertrag – der die Überleitung in ein privatrechtliches Unternehmen rechtlich ausgestaltet – eine entsprechende Regelung zu treffen.
Eine weitere Möglichkeit ist es, die Anwendung der gleichstellungsrechtlichen Regelungen über eine Betriebsvereinbarung festzulegen und so den Sinngehalt der Frauengleichstellungsgesetze mit in die Privatwirtschaft „hinüberzuretten“.
Meine Empfehlung
TiPP: Schließen Sie eine Betriebsvereinbarung
Wurde bei Ihnen eine Privatisierung durchgeführt, sollten Sie die Anwendung des bisher geltenden Frauengleichstellungsgesetzes in analoger Anwendung in einer Betriebsvereinbarung regeln. Natürlich können Sie auch per Regelungsabrede vereinbaren, dass das bisherige Gleichstellungsgesetz weiter zur Anwendung kommt.
Wurde ein Weg gefunden, das Gleichstellungsrecht auch im privatisierten Unternehmen zur Anwendung zu bringen, so ergibt sich hier häufig folgendes Problem: Im öffentlichen Dienst können Gleichstellungsbeauftragte, die sich in ihren Rechten verletzt sehen, Klage beim Verwaltungsgericht erheben. Jedenfalls dann, wenn das jeweilige Gesetz eine solche Klagebefugnis vorsieht oder eine solche – wie in Schleswig-Holstein – nach allgemeinem Verwaltungsrecht vom Gericht ausdrücklich bestätigt wird.
Klagebefugnis in der Privatwirtschaft vermutlich nicht gegeben
In der Privatwirtschaft hingegen wird eine solche Klage vermutlich nicht möglich sein, da die Arbeitsgerichtsbarkeit einen solchen Klageweg zunächst gar nicht vorsieht. Die Gleichstellungsbeauftragten
in privatisierten Unternehmen sind daher auf ihre Einspruchs- und Widerspruchsrechte beschränkt. Es besteht allerdings die Möglichkeit, im Rahmen von Betriebsvereinbarungen beispielsweise als Konfliktregulierungs-instrument eine Einigungsstelle vorzusehen, so wie es das Betriebsverfassungsrecht auch für Sie als Betriebsrat vorsieht. Geregelt werden kann der Einsatz einer Einigungsstelle aus meiner Sicht in zweierlei Form:
Zum einen kann der Gleichstellungsbeauftragten die Möglichkeit
eingeräumt werden, selbst die Einigungsstelle im Sinne von § 76
Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) einsetzen zu lassen bzw. sich
mit dem Arbeitgeber hierauf zu einigen.
Zum anderen können auch Sie regeln, dass ein Betriebsrat aus
Ihren Rechten heraus sich mit dem Arbeitgeber über den Einsatz
der Einigungsstelle einigen oder aber eine Einigungsstelle gemäß
§ 76 BetrVG über das Arbeitsgericht einsetzen lassen.
Meine Empfehlung
Einigungsstelle zur Konfliktregulierung vereinbaren
Soll bei Ihnen im Hause nach einer Privatisierung eine Betriebsvereinbarung zur Gleichstellung geschlossen werden, so sollten Sie auf die Regelung drängen, dass im Konfliktfall in gleichstellungsrechtlichen Angelegenheiten die Einigungsstelle angerufen werden kann.
Fazit
Bei Privatisierung die Frauengleichstellungsgesetze „mitnehmen“
Als Betriebsrat in einer privatisierten Einrichtung des öffentlichen Dienstes sollten Sie darauf drängen, dass der Sinngehalt der Frauengleichstellungsgesetze oder aber gar das Gesetz selbst in Ihrem Unternehmen Anwendung findet. Dies kann durch eine Betriebsvereinbarung näher ausgestaltet werden. Sie als Betriebsrat haben hierdurch den Vorteil, noch aktiver auf die Gleichstellung hinwirken zu können und Ihre Rechte zu verstärken.
Das Institut zur Zukunft der Arbeit führte ein Experiment mit 430 Studierenden durch; das Ergebnis überzeugt: Frauen an der Spitze führen Teams zu höheren Leistungen. Nutzen Sie dieses Experiment – auch wenn es nicht repräsentativ ist –, um für mehr Frauen in Führungspositionen in Ihrem Unternehmen zu werben. Denken Sie daran: Auch Sie als Betriebsratsgremium haben die allgemeine Aufgabe gemäß § 80 Abs. 1 Ziffer 2a Betriebsverfassungsgesetz, die tatsächliche Gleichstellung von Frauen mit Männern zu fördern.
Die Zusammensetzung der 3er-Teams wurde ausgelost, ebenso die Führungsperson. Aufgabe der Teamleitung war es, Arbeitstreffen und die Koordinierung der Abschlussprüfung zu organisieren. Trotz des gleichen Zeitaufwands erzielten die von Frauen geführten Teams bessere Abschlussnoten. Es wurde festgestellt, dass insbesondere Frauen unter weiblicher Führung zu einer „höheren Form auflaufen“. Den Autorinnen zufolge profifierten die Teammitglieder von dem großen und uneigennützigen Engagement der Teamleitungen sowie von deren Organisations- und Motivationskompetenz – Eigenschaften und Kompetenzen, die zukünftig immer mehr an Bedeutung gewinnen werden.
Work-Life-Balance wird in der heutigen Arbeitswelt immer wichtiger. Gerade der nachwachsenden Generation ist es weitaus wichtiger, die richtige Balance zwischen beruflicher Beanspruchung und Familie bzw. Freizeit hinzubekommen. Nutzen Sie Ihre Rechte als Betriebsrat und unterstützen Sie Ihre Kolleginnen und Kollegen.
Sie als Betriebsrat haben im Rahmen Ihrer allgemeinen Aufgaben gemäß § 80 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) auch die Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Erwerbstätigkeit zu unterstützen und zu erleichtern. Im Betrieb sollen Möglichkeiten geschaffen werden, Beschäftigte bei Doppel- bzw. Mehrfachbelastungen durch familienfreundliche Arbeitsbedingungen und Arbeitszeiten zu unterstützen.
Mit diesen Maßnahmen könnten Sie familien- und pflegegerechte Rahmenbedingungen unterstützen
Familien- und pflegegerechte Rahmenbedingungen umfassen alle Faktoren und Maßnahmen, die nicht die Arbeitszeit an sich, sondern das Arbeitsumfeld und dessen Bedingungen betreffen. Welche das sein können, habe ich Ihnen in der folgenden Übersicht zusammengestellt.
Ihrem Arbeitgeber und auch Ihnen sind hier keine Grenzen gesetzt. Sie können all das anbieten, was Beschäftigte mit Familienpflichten oder Pflegeaufgaben unterstützt und entlastet. Insoweit kann Ihr Arbeitgeber hier einen wichtigen Beitrag zu mehr Work-Life-Balance leisten.
Als Betriebsrat können Sie hier aktiv werden, indem Sie Maßnahmen zur ausgeglichenen Work-Life-Balance anregen und Vorschläge unterbreiten, welche Maßnahmen Ihr Arbeitgeber ergreifen könnte, um die Work-Life-Balance zu verbessern.
Meine Empfehlung
TiPP: Fragen Sie nach, wo die Bedürfnisse liegen
Sollten Sie unsicher sein, ob und in welchen Bereichen Ihre Kolleginnen und Kollegen mit Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen eine Unterstützung brauchen, fragen Sie einfach nach oder machen Sie eine Umfrage. Dies hat 2 Vorteile: Zum einen sehen die Beschäftigten, dass Sie sich um ihre Bedürfnisse und Wünsche kümmern. Zum anderen wissen Sie genau, was gebraucht wird.
Nutzen Sie das folgende Muster-Schreiben, wenn Sie die Initiative ergreifen möchten:
Muster-Schreiben Einrichtung einer Pflegeberatungsstelle
Machen Sie ihrem Arbeitgeber deutlich, welchen Mehrwert er davon hat, dass er ihrem Anliegen folgt. Unterstützt er die Kolleginnen und Kollegen, die pflegebedürftige Angehörige haben, mit einer Pflegeberatung
im Unternehmen sparen diese viel Zeit und Mühe.
Das kommt letztlich auch Ihrem Arbeitgeber zugute: Schließlich müsste dieser die Beschäftigten ansonsten nach dem Pflegezeitgesetz für bis zu 10 Tagen ad hoc freistellen. Und das kostet Geld und wertvolle Zeit.
Hinzu kommt, dass Ihr Arbeitgeber mit der Einrichtung einer Pflegeberatung deutlich macht, dass er die privaten Nöte und Belastungen der Beschäftigten ernst nimmt. Dies dürfte zu einer größeren Arbeitszufriedenheit bei den Beschäftigten führen, außerdem die Attraktivität Ihres Arbeitsgebers und des Unternehmens steigern und letztlich für die Bindung der Beschäftigten und auch Gewinnung von neuen Beschäftigten vorteilhaft sein. Betonen Sie diese Vorteile!
Fazit
TiPP: Gestalten Sie bessere Rahmenbedingungen
Es gibt viele Möglichkeiten, die sonstigen Rahmenbedingungen Ihrer Kolleginnen und Kollegen in Bezug auf eine gute Work-Life-Balance zu unterstützen. Hier gibt es für Sie als Betriebsrat ein weites Betätigungsfeld. Was Sie in Bezug auf die Arbeitszeit tun können, lesen Sie im nächsten Beitrag.
Neben familien- und pflegegerechten Rahmenbedingungen sollte aber gleichermaßen die familien- und pflegegerechte Arbeitszeit in den Blick genommen werden. Beides kombiniert bietet Beschäftigten natürlich die größten Chancen, eine gute Work-Life-Balance zu finden. Arbeitszeiten können in unterschiedlichster Art und Weise ausgestaltet werden. Welche Modelle in der Praxis häufiger vorkommen, habe ich Ihnen hier zusammengestellt.
Arbeitszeiten
Diese Übersicht ist keineswegs abschließend und führt nur die gängigsten Modelle und Arbeitszeitformen auf. (Bitte farbig hinterlegen oder Kasten)
Bei der Arbeitszeit haben Sie umfangreiche Mitbestimmungsrechte nach §§ 87, 88 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). In den meisten Betrieben gibt es Betriebsvereinbarungen zur Arbeitszeit, vermutlich auch in Ihrem. Berücksichtigen diese die Bedürfnisse der Beschäftigten mit Familien- und Pflegepflichten hinreichend? Oder gibt es hier Bedarf, über weitere Vereinbarungen oder ergänzende Reglungen nachzudenken?
Für Beschäftigte mit Familien- und Pflegeaufgaben ist Telearbeit oder auch mobiles Arbeiten interessant geworden. Interessant deshalb, weil dann die Arbeitszeit unter Umständen nur minimal oder gar nicht reduziert werden muss. Dies dürfte insbesondere Frauen betreffen, aber auch jüngere Männer haben zunehmend den Anspruch, mehr für die Familie da zu sein. Wenn Arbeitszeit nicht reduziert werden muss, verringert sich auch die Rente nicht! Gerade dies ist in Zeiten drohender Altersarmut ein wichtiges Argument für diese Arbeitszeitmodelle. Verdeutlichen Sie dies Ihrem Arbeitgeber!
Wenn Sie das Ziel verfolgen, beispielsweise mobiles Arbeiten einzuführen, können Sie Ihre Mitbestimmungsrechte gemäß § 87 BetrVG nutzen und hier einen Initiativantrag stellen. Hier hätten Sie sogar die Möglichkeit, Ihren Antrag bis in die Einigungsstelle zu verfolgen.
Hinweis
TiPP: Beschluss fassen zum Initiativantrag
Denken Sie daran, dass Sie für einen Initiativantrag einen ordentlichen Betriebsratsbeschluss fassen müssen.
Sie Ihre Initiativrechte nutzen möchten, beispielsweise um die Einführung von mobilem Arbeiten anzustoßen, können Sie das folgenden Muster-Schreiben nutzen:
Muster-Schreiben Einführung von mobilem Arbeiten
TiPP: Sie haben viele Möglichkeiten, die Work-Life-Balance aktiv zu unterstützen
Gerade das Thema Work-Life-Balance bietet Ihnen viele Möglichkeiten, initiativ zu werden. Nutzen Sie diese Möglichkeiten und unterstützen Sie Ihre Kolleginnen und Kollegen aktiv dabei, die Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Erwerbstätigkeit in den Griff zu bekommen. Damit erfüllen Sie auch Ihren gesetzlichen Auftrag gemäß § 80 BetrVG. Schließen Sie am besten mit Ihrem Arbeitgeber eine Betriebsvereinbarung zu diesem Thema (siehe hierzu Seite 6). So sorgen Sie für mehr Chancengleichheit in Ihrem Unternehmen.
Überzeugen Sie sich selbst von allen Vorteilen. Kompakte Informationen auf 8 Seiten, dem Downloadbereich mit über 100 Arbeitshilfen, der Redaktionssprechstunde per Mail oder telefonisch und der Netzwerk App mit Kontakt zu anderen Gleichstellungsbeauftragten.
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