Gender Mainstreaming – ein Begriff, bei dem sich bei so manchem Personalleiter alle Nackenhaare sträuben. Ebenso ist das übrigens auch bei den Gerichten. Ich verwende daher diesen Begriff regelmäßig in gerichtlichen Verfahren nicht mehr und übersetze ihn lieber mit dem Begriff Gleichberechtigungskonzept, obwohl dieser Begriff ungenauer und unschärfer ist. Warum, das erläutere ich Ihnen in diesem Beitrag.
Das Konzept des Gender Mainstreaming ist bereits in die Jahre gekommen. Es wurde 1985 auf der 3. Weltfrauenkonferenz in Nairobi entwickelt. Seit 1997/1998 ist die Umsetzung des Konzepts des Gender Mainstreaming erklärtes Ziel des Amsterdamer Vertrags und somit der EU.
Gender Mainstreaming bedeutet, die unterschiedlichen Lebenssituationen von Frauen und Männern und auch Interessen bei allen Entscheidungen auf allen gesellschaftlichen Ebenen zu berücksichtigen. Hiermit soll die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern erreicht werden.
Im Unterschied zu den vorher bekannten Gleichstellungsstrategien setzt Gender Mainstreaming im Vorfeld und präventiv an, um Benachteiligungen oder Ungleichheiten gar nicht erst entstehen zu lassen. Die bisherigen Ansätze der Frauengleichstellungsgesetze oder auch anderer frauenpolitischer Maßnahmen wirken ja eher korrigierend und greifen später ein. Das Konzept des Gender Mainstreaming ergänzt insoweit die bisherigen klassischen Frauenfördermaßnahmen.
Beispiel:
In einer Dienststelle werden Besprechungen in einer Abteilung regelmäßig erst ab 17 Uhr abgehalten, da es dann ruhiger wird. Teilzeitbeschäftigte können aber an diesen Besprechungen nicht teilnehmen, da sie in der Regel schon am frühen Nachmittag nach Hause müssen, weil die Kita um 16 Uhr schließt. Nach dem Konzept des Gender Mainstreaming dürfte so etwas gar nicht erst vorkommen; wäre dieses Konzept mit bedacht worden, so wäre klar gewesen, dass die Besprechungen bis spätestens mittags erledigt sein müssen.
Deutlich wird an diesem Beispiel, dass die Lebenssituation von Frauen aufgrund der immer noch existierenden Rollenzuweisungen eine andere ist als die von Männern. Das nimmt der Gedanke des Gender Mainstreaming auf und versucht, Lösungen zu finden, die beiden Geschlechtern gerecht werden. Nachteilige Folgen für ein Geschlecht sollten hier von vornherein ausgeschlossen werden.
Es geht also beim Gender Mainstreaming um mehr als nur um das biologische Geschlecht (Sexus). Mit dem Begriff Gender werden die Geschlechtsrolle und auch geschlechtstypische Zuschreibung mit in den Blick und in den Mittelpunkt gestellt. Gender wird insoweit auch als soziales Geschlecht oder soziale Konstruktion gesehen.
Die Verpflichtung, Gender Mainstreaming umzusetzen, ergibt sich sowohl aus europäischem Recht, sprich: dem Vertrag über die Europäische Union (EU-Vertrag), als auch aus unserem nationalen Verfassungsrecht. Art. 3 Abs. 2 Grundgesetz (GG) sieht vor, dass der Staat „die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern“ fördert und „auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinwirkt“. Der EU-Vertrag sieht Ähnliches vor, nämlich die Gleichstellung von Frauen und Männern zu fördern.
Alle Frauengleichstellungsgesetze haben zum Ziel, die Gleichstellung von Frauen mit Männern oder auch die Geschlechtergleichstellung zu fördern bzw. voranzutreiben. Insoweit findet sich hier der verfassungsrechtliche Auftrag des Art. 3 Abs. 2 GG wieder. Aber alle Gesetze sind aus meiner Sicht auch dem Konzept des Gender Mainstreaming zugänglich. Ausdrücklich ist das in § 4 Bundesgleichstellungsgesetz (BGleiG) festgeschrieben.
In § 4 BGleiG ist geregelt, dass alle Beschäftigten, insbesondere die mit Vorgesetzten- und Führungsfunktionen, sowie die Dienststellenleitung und auch die Personalverwaltung auf die Einhaltung der Gesetzesziele hinzuwirken haben. Weiter findet sich der Nachsatz, dass diese Verpflichtung als durchgängiges Leitprinzip bei allen Aufgabenbereichen und Entscheidungen sowie bei der Zusammenarbeit von Dienststellen zu berücksichtigen ist. Die Gesetzesziele habe ich Ihnen in der folgenden Übersicht zusammengefasst (§ 1 BGleiG).
In der Konsequenz bedeutet dies, dass über § 4 BGleiG in Verbindung mit § 1 BGleiG das Konzept des Gender Mainstreaming im europarechtlichen Sinn für den Bereich der Bundesverwaltung hier nun ganz ausdrücklich eingeführt wurde. Das BGleiG steht sozusagen unter dieser Maxime.
In den Landesgleichstellungsgesetzen müssen Sie jeweils schauen, ob sich das Konzept des Gender Mainstreaming aus den Gesetzeszielen ableiten lässt, wenn es nicht ausdrücklich dort verankert ist. Regelmäßig wird dies möglich sein. Schauen Sie sich hierzu Ihr Gesetz an.
Als Gleichstellungsbeauftragte in den Bundesbehörden haben Sie den Auftrag, die Einhaltung und Umsetzung der Regelungen des BGleiG zu überwachen – also auch die Einhaltung des Konzepts des Gender Mainstreaming in Ihrer Verwaltung.
Diese Überwachungsaufgabe bezieht sich auf alle personellen, sozialen und organisatorischen Angelegenheiten. Aus meiner Sicht müssen daher schon aus diesem Auftrag heraus alle Angelegenheiten über Ihren Tisch gehen. Sie müssen schließlich überprüfen, ob Gender Mainstreaming mit bedacht wurde. Im Folgenden habe ich Ihnen Beispiele zusammengestellt, wann Gender Mainstreaming in Ihrem Aufgabenbereich eine Rolle spielen kann.
Personelle Angelegenheiten
Organisatorische Angelegenheiten
Soziale Angelegenheiten
Grundsätzlich gilt für Sie: Stellen Sie sich immer die folgenden Fragen, wenn Sie einen Vorgang auf den Tisch bekommen oder aber auch an Besprechungen, Konferenzen oder Tagungen teilnehmen: Wie wirkt sich diese Planung, diese Maßnahme oder dieses Kriterium auf Frauen oder Männer aus? Ist die Auswirkung für ein Geschlecht nachteilig?
Wenn Sie feststellen, dass Planungen, Maßnahmen, Kriterien oder Verfahren sich negativ oder nachteilig auf Frauen oder Männer auswirken, sollten Sie handeln und eingreifen.
Sie können beispielsweise mit einer Stellungnahme oder einem Votum darauf hinweisen oder auch ein Veto einlegen, wenn die Maßnahme gegen sonstiges Gleichstellungsrecht verstößt. Scheuen Sie sich nicht, hier Ihre Rechte geltend zu machen und so Ihren Einfluss zu nutzen.
Das folgende Muster-Schreiben können Sie verwenden, wenn Sie feststellen, dass in Ihrer Dienststelle das Konzept des Gender Mainstreaming nicht mit bedacht wurde und Sie hierzu Stellung nehmen möchten.
Muster-Schreiben (Bundesbehörde): Votum Verletzung des Konzepts Gender Mainstreaming
Ob ein Verstoß gegen das Konzept des Gender Mainstreaming an sich einem Einspruch zugänglich wäre, darüber findet sich in der Literatur nichts. Konsequenterweise müsste dies aber der Fall sein. Sie müssten also nach meiner Einschätzung auch einen Einspruch einlegen können, wenn das Prinzip des Gender Mainstreaming in Ihrer Dienststelle nicht beachtet wird. Einen solchen Einspruch könnten Sie mit dem Verstoß gegen § 4 Abs. 1 Satz 2 BGleiG (oder den vergleichbaren Landesregelungen) begründen.
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